Mittwoch, 29. April 2009

Sönam Wangden und anderes

Spielen am freien Tag
Das Wetter spielt immernoch verrückt, in dem es viel zu oft für diese Jahreszeit regnet und stürmt, was ich aber durch die leichte, dadurch entstehende Abkühlung, recht genieße.
Auf diesem Photo sieht man eine der Lieblingsaktivitäten vieler Mönche an ihrem einzigen freien Tag in der Woche, dem Dienstag. Die Mönche spielen sich am Nachmittag gemeinsam im Kreis stehend, abwechselnd mit den Füßen ein Drahtknäuel zu.

Vor ungefähr 2 Monaten bat mich Sönam Wangden, mein Tibetischlehrer, ihm die deutsche Aussprache beizubringen, weil er für sein zweites Buch über die Tibetische Sprache gerne einige Vergleiche zu anderen Sprachen heranziehen möchte, und für das Benutzen des deutschen Grammatikbuches das Wissen um die Aussprache nützlich fände. Die Aussprache konnte er nach einer halben Stunde akzentfrei, also brachte ich ihm einige Sätze und dann die Grundlagen der Grammatik bei, immer mal wieder hier und da ein paar Minuten, und da er alles was er einmal gehört hat sofort behalten kann, ist er inzwischen schon in der Lage selbstständig vollständige und korrekte Sätze zu bilden. Natürlich ist das Vokabular noch begrenzt, aber bei seiner Lerngeschwindigkeit dürfte er schon bald den Deutschen Konkurrenz machen. Dies beeindruckt mich nicht nur, weil er ein Tibeter ist, und die Tibeter normalerweise nicht so sehr erfolgreich im Lernen anderer Sprachen zu sein scheinen, sondern vor allem, weil er dies ohne jeglichen Aufwand erreicht, denn er verbringt, bis auf die wenige Zeit in der ich ihm etwas erkläre, keine Zeit mit Üben oder Lernen dieser Sprache, sondern lehrt und lernt die restliche Zeit die Buddhistische Philosophie, wie man es fleißiger nicht tun kann und hat darüber hinaus noch andere Verantwortlichkeiten. Sehr beeindruckend.

Für mich ist schon seit meiner Ankunft hier im Januar die Abgeschiedenheit dieses Klosters sehr zu gute gekommen. Es ist keineswegs ruhig, im Gegenteil lärmt es ständig und scheinbar überall in Indien, und auch andere Faktoren des Lebens mit den Tibetern eignen sich zur Irritation meines Geistes. In diesem Sinne ist es weniger abgeschieden als beispielsweise mein vorheriges Kloster, Nalanda, in Südfrankreich. Die Abgeschiedenheit, die ich hier finde, liegt auf einer anderen Ebene. Beispielsweise bekomme ich hier von alleine nichts mit vom Rest der Welt und den Nachrichten. Ich schreibe absichtlich "von alleine", weil ich selektiv, wann immer ich es möchte, mir natürlich Zugang zu Informationen beschaffen kann, und das tue ich auch 1 bis 3 mal die Woche. Ich kann meine Aufmerksamkeit also dem Weltgeschehen widmen wenn ich möchte, werde aber ansonsten vollkommen davon ungestört gelassen. Ein anderer wichtiger Punkt ist, immer nur von tausenden von Mönchen umgeben zu sein, mit Ausnahme einiger hier arbeitender Inder oder sehr sehr seltener Besucher. Dies ist effektvoll, da die anderen Mönche mich einerseits einer von vielen sein lassen, anstatt, wie im Westen, immer heraus zu stechen, und die Mönche generell in einem sehr anderen, sehr viel heilsameren Geisteszustand verweilen. All dies, und noch viel mehr, lässt auch meinen Geist in ungekannten Tiefen der Ruhe ankommen und ihn konzentriert, entspannt und gefügig werden.

In den letzten Wochen wurden hier viele Pujas und Gebete speziell auf Wunsch und für Seine Heiligkeit den Dalai Lama abgehalten. Dies führte zu weniger Schlaf unsererseits und einigen Ausfällen von anderen Aktivitäten, wie auch meines Tibetischunterrichts. Aber in einem Meer aus rot gekleideten Mönchen zu sitzen und gemeinsam ein Bewusstsein für das Wohlbefinden anderer Lebewesen zu entwickeln und gleichzeitig den Wunsch Seiner Heiligkeit zu erfüllen, ist diese Einschränkungen allemal wert.

Vor einigen Tagen rief mich, wiedermal vollkommen unerwartet, Geshe Pema Samten an. Mein Verständnis der tibetischen Sprache ist am Telefon nochmal um einiges schwächer als bei Blickkontakt und zusätzlich spricht Geshe Pema Samten einen starken Dialekt, so dass ich leider wenig verstehen konnte und wir bald auf eine Übersetzerin ausweichen mussten.
Das Telefonat war dennoch sehr inspirierend, denn er zeigte, wie schon zuvor, große Fähigkeiten im augenblicklichen Durchleuchten meines Geistes, wenn nicht sogar des Gedankenlesens, und sagte genau die richtigen Dinge, von denen ich selbst erst nachher begriff, wie hilfreich sie eigentlich waren. Er motivierte mich sehr und nahm einigen selbst auferlegten Erfolgsdruck von meinen Schultern und löste nebenbei noch einige kleinere Probleme, die gerade erst dabei waren zu entstehen.
Er zeigte und sagte mir auch nochmal, dass er, als mein Lehrer, für mich Sorge trägt und tragen wird und mich schützt, auf weltlicher und spiritueller oder psychologischer Ebene. Diese erneute Bestätigung, dass er tatsächlich und ganz leibhaftig bei mir ist, wie weit entfernt ich auch leben möge, ist von unschätzbarem Wert für mich. Es ist viel mehr als nur die Bestätigung, meine tiefe Verbundenheit ihm gegenüber, als sein Schüler, zu erwidern.

Mein Tibetischlehrer und Tsondrü, ein anderer Deutscher Mönch der hier seit über einem Jahr lebt und studiert und noch ein wenig jünger ist als ich, sind der Ansicht es wäre sehr nutzbringend schon sehr bald, am besten sofort, mit der Philosophischen Debatte (Chödra) zu beginnen.
Diese ist das wichtigste Lehrmittel im Studium und nimmt einen ausgesprochen hervorstehenden Platz im Tagesablauf der Mönche ein, weil gesagt wird, dass bei weitem der größte Teil des Verständnisses durch die Chödra entsteht. Es gibt jeden Tag viele Stunden der Debatte, aber vor allem in höheren Klassen nur 1 Stunde Unterricht alle paar Tage. Die Debatte ist übrigens nicht so passiv wie sie für einen westlichen Leser erscheinen mag: es sind Zweiergruppen aus Angreifer und Verteidiger (einer Lehrmeinung), die sich ein äußerst schnelles und komplexes Wortgefecht liefern, welches aus wohldefinierten Frage- und Antwortmöglichkeiten besteht, bei dem man sehr schnell in logische Sackgassen laufen kann und so sein Verständnis überprüft und erweitert.
An der Chödra teilzunehmen bedeutet für mich den letzten Schritt zu vollziehen wirklich dazu zu gehören, denn bisher lebe ich mit den anderen Mönchen zusammen, aber bei ihrer hauptsächlichen Aktivität nehme ich nicht teil. Dennoch ist ein gewisses Maß an Nervosität vorhanden, da ich weder das Vokabular der Debatte vollständig beherrsche, noch die entsprechenden Texte auswendig gelernt habe oder auch nur die Umgangssprache schon gut genug beherrschen würde um im Notfall Missverständnisse aufzudecken. Zumindest die ersten beiden Punkte werde ich hoffentlich vor meinem ersten Tag in der Chödra noch beseitigen können.

3 Kommentare:

  1. Lieber Losang Khedrup! Daniela aus dem Tibetischen Zentrum in Hamburg hat uns über Dein Blog informiert und ich möchte erstmals nur sagen, dass ich mich sehr darüber freue und ich ganz interessiert Deine ersten Einträge gelesen habe. Ich hoffe, Du wirst die Zeit finden, das Blog während der Studienjahre weiterzuführen! Dies wäre eine grosse Bereicherung für uns alle! Lieb grüsst Dich Renée (Fernstudentin im 2. Jahr)

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  2. Lieber Losang Khedrup,
    vielen Dank für Deine interessanten Berichte.
    Mich würde es freuen, wenn es Dir gelingt Dein Studium durchzuziehen und wünsche Dir dazu alles nur erdenklich Gute.
    Die nötigen Voraussetzungen hast Du ja - nicht nur wegen des Erde-Ochsen-Jahres!
    Und solltest Du jemals Schwierigkeiten haben, dann lass es uns wissen ;>)

    Herzliche Grüße,
    Axel

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  3. Hallo ihr lieben.
    Ich habe gerade entdeckt, dass ihr hier Kommentare hinterlassen habt. Es freut mich sehr! Wenn sich inhaltlich Fragen ergeben oder ich den Scheinwerfer dieses Blogs mal auf bestimmte andere Aspekte richten soll, sagt bescheid.
    Alles Liebe,
    Khedrub

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