Dienstag, 9. März 2010

Eintritt in die Debattierklasse

Nach dem ich mir lange überlegt habe, bei wem ich Unterricht (Peti) nehmen soll und mir von vielen Mönchen Empfehlungen angehört habe, fiel letztendlich meine Entscheidung auf Gen Tsewang Tobden. Er spricht ein sehr akzentfreies, langsames und deutliches Tibetisch und kann sogar einige wenige Worte Englisch. Er hat bereits sehr viele Schüler, weshalb es nicht sehr wahrscheinlich war, dass ich sein Schüler werden konnte, aber es hat zu meinem Glück dann doch geklappt. Seit 4 Tagen erhalte ich jetzt von ihm Unterricht zu den Texten, indem er mögliche Debatten aufzeigt und mich generell in die Texte einführt, sie auch Silbe für Silbe erläutert.  
Heute war das Eintrittsexamen für die Debattierklasse. 
Wir, also die 4 anderen Mönche meines Hauses die der neuen Klasse beitreten, ein Geshe der uns begleitete, und ich, trafen uns um 6:30 vor unserem Haus. Dann gingen wir, mit einer vollen Teekanne und jeweils einem Katag und Geldumschlag zusammen zum Sera Jey Dratsang. Wir waren die ersten dort und warteten fast eine Stunde, bis endlich auch die eintretenden Mönche der anderen Häuser sich versammelten. Insgesamt waren es dann gut 30 Mönche. Schließlich durften wir rauf und uns auf dem Obergeschoss in einer Reihe aufstellen. Wir wurden einzeln aufgerufen und gingen dann im Gänsemarsch die Treppe hinauf, in den Vorraum von Ken Rinpoche Geshe Losang Paldens Zimmer. Er konnte leider nicht anwesend sein, nur sein Stellvertreter. Ich stellte überrascht fest, dass einige der anderen Mönche viele Ermahnungen brauchten, bis sie es schafften ihre Kleidung halbwegs respektvoll in Ordnung zu bringen. Nach 3 Niederwerfungen übergaben wir die Katags und Geldumschläge auf den Thron von Ken Rinpoche, die mitgebrachten Teekannen wurden übergeben und wir setzten uns gesittet in 3 Reihen an die Seite des Raums. Kaum saßen alle, irgendwie zusammen gequetscht, wurden wir gleich wieder aufgescheucht uns anders hin zu setzen, in Richtung des Throns, an einer anderen Wand. Diesmal landete ich in einer Ecke neben einem Staubsauger, dessen Präsenz mich ziemlich erstaunte. Es wurden Pappbecher ausgeteilt und mit einem Schluck Buttertee befüllt, aus den mitgebrachten Teekannen. Ein Schluck ist keine Untertreibung, der Tee bedeckte kaum den Boden des Bechers, zu meinem Glück, denn ich mag Buttertee nicht sonderlich. Es folgten die Rezitationen der Gebete, die der Gegenstand dieser Prüfung waren. Offenbar ging es aber weniger darum die Textfestigkeit der Einzelnen Teilnehmer zu prüfen, als eher das Zustandebringen einer vernünftigen Rezitation als Gruppe.
Anschließend gingen wir zusammen zum Disziplinar. Er schien überrascht, gar überrumpelt zu sein, und als wir uns dann nach einiger Wartezeit vor seinem Haus, in seinen Hauseingang hinein begeben durften, hielt er uns, in Unterrock und gelber Mönchsweste, eine lange Rede über die Vorteile des fleißigen Studierens und guten Verhaltens und die Konsequenzen vom Gegenteil, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Wir knieten alle zusammengedrängt vor ihm und alle schauten auf den Boden, weil es offenbar unschicklich wäre ihm in die Augen zu sehen, was mir jedoch einige Mühe bereitete, denn ich finde es schwierig zuzuhören ohne Augenkontakt zu suchen, besonders in einer Sprache die von mir viel Konzentration erfordert. Plötzlich sprach er mich an und fragte woher ich komme, in welchem Haus ich wohne, wer mein Lehrer sei. Dann erhielt ich Lobpreis von ihm für das, was aus mir mal werden könnte, welch großen Nutzen es hat wenn ich später im Westen unterrichte. Unverdiente Vorschusslorbeeren aber ein Ansporn mich anzustrengen. Danach ging meine zukünftige Klasse auseinander, jede Gruppe zu ihrem respektiven Khangtsen. Im Tehor Khangtsen gingen wir zu unserem eigenen Disziplinar, knieten zu siebent vor ihm, sagten unsere Namen und Hausnummern. Auch er hielt dann eine Rede über die Vorteile des guten Studierens und ähnliches, und ließ es sich nicht nehmen immer mal wieder auf mich anzuspielen, beispielsweise als Verdeutlichung von wie weit her die Mönche anreisen um hier studieren zu können. Als wir seinen Raum verließen gab er uns jeweils eine Hand voll Bonbons, dann gingen wir zu unserem Haus zurück. 
Lhawang sah uns kommen und sagte mir "jetzt bist du ein wirklicher Sera Mönch", obwohl er dann keine Antwort wusste, als ich ihm nahe legte, dass seiner Aussage an Durchdringung fehle, da ich ein Sera Mönch war seit ich dem Kloster formell beitrat vor über einem Jahr.
Morgen ist der Jahrestag des Tibetischen Aufstandes gegen die Chinesische Besetzung, weshalb erst übermorgen, also Donnerstag, die Debatte beginnt.Jetzt bin ich also im unteren Dü-Chung.

Morgen hören wir gemeinsam eine Rede von Seiner Heiligkeit dem 14. Dalai Lama an und machen einen Protestmarsch mit Kerzen.

PS. Es waren nur ca. 30 Mönche heute morgen, weil im Laufe des Jahres noch mehr und mehr neue Studenten hin zu kommen werden, und weil durch die verschärften Grenzkontrollen der Chinesen immer weniger Tibeter fliehen können und den Klosteruniversitäten beitreten. Die Klassen werden von Jahr zu Jahr kleiner, wegen der wenigen Neuankömmlinge aus Tibet.

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