Neulich, als ich in Kushalnagar Obst kaufte, war dort eine große Aufregung, weil ein sehr großer Affe im Dorf herum lief. Ich sah ihn gerade noch behände über eine Mauer springen und danach hinter dieser Mauer die Strommasten und die dünneren Bäume schwanken. Hin und wieder war er noch zu sehen, während er sich im Zickzack über die Bäume von der Straße, auf der ich mich befand, entfernte.
Vor einigen Wochen kam Khen Rinpoche Geshe Losang Palden, unser Abt, zurück aus Taiwan von einer Reise und gab dann für viele Tage jeden Morgen eine Stunde Lamrim Unterweisungen, die unsere reguläre Debattierphase unterbrach. Seinen starken Kham-Dialekt fand nicht nur ich schwer zu verstehen, sondern auch die große Mehrheit der tibetischen Mönche mit denen ich darüber sprach. Die schäpprige Lautsprecher Installation, die wir auf dem Debattierhof haben, hat nicht sehr geholfen. Dennoch freute ich mich sehr darüber, denn die neuen Mönche, die teilweise ohne eine buddhistische Vorbildung hier ankommen, können mit einem solchen Überblick viel besser einsortieren, was sie gerade lernen.
Ungefähr zur gleichen Zeit brachte mir jemand aus Deutschland etwas Brot und Käse mit, worüber ich mich enorm freute!
Vor einer Weile begleitete ich für einen Tag meinen Lehrer Geshe Tsewang Tobden nach Mysore, wo wir darauf zu sprechen kamen, dass ich Ume, die tibetische Schreibschrift, die mich etwas an Steno erinnert, lernen will und für das Studium hier auch muss, und er zufällig ganz besonders gute Fähigkeiten darin hat und mich neben dem normalen Studium noch darin ausbilden kann. Das freute mich sehr und wir begannen kurz darauf damit. Kein Bisschen zu spät, wie ich bald feststellen durfte, denn eines Tages in der Morgendebatte wurden wir zusammengerufen für eine Ansage über die drei uns bevorstehenden Prüfungen. Eine Auswendiglern-Prüfung, eine Debattier-Prüfung und eine schriftliche, in welcher auch auf das Beherrschen eben dieser Schreibschrift geprüft wird. Die Prüfungen beginnen Mitte August. Schon jetzt bekam jeder einen Papierschnippsel, auf dem der eigene Name und eine Nummer stehen, die wir bei der Anmeldung und bei der eigentlichen Prüfung angeben müssen. Wenn alles gut geht, steige ich danach eine Klasse auf, von der "unteren kleinen Düdra" in die "kleine Düdra".
Inzwischen hat meine Klasse (auch ich) das erste Buch ("Der kleine Pfad der logischen Beweisführung") abgeschlossen und ist in der Mitte des zweiten Buches ("Der mittlere Pfad der logischen Beweisführung") angelangt. Zur Zeit bremst die Regenzeit uns etwas, denn oft fällt jetzt die Debatte aus, weil es zu stark regnet. Passend zur Regenzeit hat nun auch unsere jährliche Regenklausur begonnen. [Erläuterungen zu diversen Themen die ich hier anschneide finden sich in älteren Beiträgen dieses Weblogs.]
In den letzten Monaten war die Stromversorgung in Sera so schlimm wie, laut den Anderen, seit vielen Jahren nicht mehr. Teilweise war unser Haus für ein bis zwei Wochen am Stück komplett ohne Elektrizität. Lange genug ohne Strom verschwindet auch immer zuverlässig das fließende kalte Wasser. (Wie man in Indien die Toiletten benutzt ist sicherlich bekannt...) Hindernisse die langsam beginnen weniger Einfluss auf meinen Geisteszustand zu nehmen.
Während es mir kürzlich erstaunlich oft vor kam, dass sich im Gespräch mit mir Inder über Indien und vor allem aber die Inder als solche beschwerten und Hitler dafür lobten, so tolle "Regeln" eingeführt zu haben die von den Deutschen so super eingehalten würden, und die meisten Tibeter eine Zeit lang von wenig anderem als der Fußballweltmeisterschaft sprachen und mich trotz bekundeten Desinteresses darüber auf dem Laufenden hielten wie es Deutschland dabei erging, vollendete der von mir in diesem Weblog schon viel gelobte Sönam Wangden, mein Tibetischlehrer, mit dem ich leider Probleme habe gemeinsame Zeit für Unterricht zu finden, unbeirrt sein neues Buch und veröffentlichte es genau zum Geburtstag Seiner Heiligkeit, des 14. Dalai Lama. Dieses Buch ist etwas ganz besonderes. Doktor Samdong Rinpoche Lobsang Tenzin, der tibetische Premierminister und ein sehr großer, geachteter Gelehrter, dessen viele Errungenschaften kaum in einem Leben unterzubringen scheinen, hatte einst darauf hingewiesen, wie wichtig für das Überleben der tibetischen Kultur das Überleben der Sprache sei, und dass es kein Werk über das Verfassen von Texten gäbe, welches die literarischen und sprachlichen Entwicklungen der letzten Jahrhunderte und vor allem Jahrzehnte berücksichtige. Er forderte dann auf ein solches Buch zu verfassen, eine große Aufgabe die Sönam Wangden jetzt ganz nebenbei erfolgreich zum Abschluss brachte. Das Resultat ist ein tibetisches Buch wie ich es sonst noch nicht gesehen habe, in Layout, Aufbau und Inhalt. Er hat sich sehr stark von westlichen Lehrbüchern und der Art über Grammatik zu schreiben inspirieren lassen. Das ganze Buch sieht vom Cover bis zu jeder einzelnen Seite so professionell aus, als wäre es von einem Deutschen Verlag für viel Geld hergestellt worden. Und anstatt alles in einem kaum unterbrochenen Fließtext unterzubringen und aufzuzählen, wie es üblich gewesen wäre, verwendet er viele übersichtliche Diagramme, unterschiedliche Schriften und mathematische Symbole um grammatikalische Strukturen zu verdeutlichen. Ich bin sehr angetan!
Wo ich gerade über Dinge schwärme die meine Lehrer tun, möchte ich noch kurz erwähnen wie mich Gen Tsewang Tobden verblüffte, als er mir von einer Konferenz hier im Kloster erzählte, bei dem die hohen Lehrer sich mit einigen Wissenschaftlern zu einem Dialog trafen. Während des Vortrags darüber wie sich diese Wissenschaftler die Welt und das Weltall vorstellen und die physikalischen Zusammenhänge, hatte er die Gelegenheit drei Zwischenfragen zu stellen. Ganz simple Fragen, die mich vor allem dadurch beeindrucken wie mutig einfach sie sind, das Grundlegendste hinterfragen. Auf seine Frage, wie zu beweisen sei, dass die Erde um die Sonne kreise, zeigten sie ein Modell aus Bällen, der mittlerste die Sonne. Genla konterte, man könne genauso gut den mittleren Ball als Erde deklarieren, - das Modell könne sie Sichtweise erklären aber sie nicht beweisen. Ob sie ihm Videos zeigen könnten als Beleg, auf denen man es unzweideutig erkennen könnte, wurde verneint und sie scheiterten auch daran es anderweitig zu beweisen, was sie schließlich zugeben mussten. Er zweifelt natürlich nicht ernsthaft an der Tatsache, aber gerade deshalb imponiert mir wie er nach Beweisen fragt, wo ich als Westler nur blind akzeptiere. Er ging noch weiter und die von seinen cleveren Fragen ausgelöste Ratlosigkeit führte zu viel Gelächter. Die folgenden beiden Fragen waren dann wesentlich ausgefeilter und hinterfragten Ansichten der Neurologie und der Atomphysik.
Sonntag, 1. August 2010
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